Einführung
Es sind ungeahnte Gestaltungskräfte, die einem Maler zur Verfügung stehen. Gleich welchem Genre er sich widmet, mit welchen technischen Mitteln er arbeitet und welche Aussagen er dem Betrachter bietet. Das Schöpferische kann im gewählten Thema, dem Malstil und der gewählten Farbe liegen.
Die Fähigkeit des Künstlers, Wirklichkeiten zu durchdringen und hinter der Begegnung mit seiner Realität der Welt die künstlerisch überhöhte Wahrheit dem Betrachter anzubieten, ist entscheidend, ob der Betrachter sich angesprochen fühlt.
Welchen Aufgaben stellt sich der Maler Rainer Kresse in unserer Zeit? Er bewegt sich in einem weiten Feld:
Von der bildlichen Darstellung unseres Lebensraumes in all seiner romantischen Schönheit unserer Umgebung, des themenbezogenen Blickes auf das Gestern und Heute für das Morgen bis hin zur Anwendung einzelner Gestaltungselemente wie z. B. der Farbe als emotionsgeladenes Bildelement.
Sicherlich hat er sich von der verklärten Gestaltung des Details seiner früheren Arbeiten heute entfernt. Seine in jüngster Zeit entstandenen Bilder, die sich mit Erscheinungen beschäftigen, die kritische Ereignisse der Geschichte mit ihren Auswirkungen bis hin zur Gegenwart künstlerisch umsetzen, haben trotz der ernsten, manchmal fast aussichtslosen Themen immer einen optimistischen Blick. Das hebt ihn von vielen Künstlern ab, die in der Resignation versinken.
Bemerkenswert: Gerade diese Bilder zwingen den Betrachter eindringlich zu einer persönlichen Stellungnahme zur Geschichte und zur Gegenwart. Der Künstler bezieht den Betrachter mit ein, veranlasst, dass er sich Fragen stellt: über das Ereignis, über dessen Folgen und zu Antworten, die der Besucher findet. Auf diese Fragen bietet der Künstler vorsichtig Lösungen an, aber seine eigene Lösung muss man selbst finden.
War die Farbwahl seiner früheren Arbeiten eher zurückhaltend und dem Detail untergeordnet, ist eine Wandlung des Künstlers auf dem Wege. Hat er das Licht und die Atmosphäre des Dargestellten schon immer geschickt einzusetzen gewusst, widmet er sich jetzt ganz besonders der Wirkung der Farben in ihrem alles bestimmenden Zusammenspiel. Gleichsam unwiderstehlich dringen seine kräftigen Farben ins Auge und verschmelzen zu einem Vergnügen des Lebens.
Die farblichen Übergänge schließen sich mühelos zu einer Bildkomposition ganz eigener Art zusammen. Durch seine Technik entsteht eine von Licht und Farbe durchdrungene Malerei, die gelegentlich auch Figürliches erahnen lässt. Aber das ist natürlich immer dem Betrachter in seiner persönlichen Interpretation überlassen. Die flimmernde Vielfarbigkeit erinnert an impressionistische Darstellungen, der wesentliche Unterschied ist dabei wohl die großzügige Gestaltung und die Leuchtkraft auch sehr dunkler Farbkompositionen.
Wir leben in einer nüchternen modernen Welt, in der wir von einer Vielzahl von kalten technischen Dingen auch in unserem Arbeitsleben und in unserer Wohnung unmittelbar umgeben sind. In einer Ausstellung seiner Bilder in einem solchen technisch geprägten Umfeld trat noch ein anderer Aspekt seiner farbintensiven Arbeiten zu Tage: Sie passen in unseren Arbeits- und Lebensalltag; sie verbinden sich mit modernem technischen Design zu einem lebenswerten Umfeld.
So sollte Kunst sein: Kunst in einer Galerie ist sicher auch sehr schön. Kunst in unserer täglichen Umgebung ist nicht neu, aber bisher wenig anzutreffen. Kunst ist unser Alltag.
Nach einer vergleichsweise kurzen künstlerischen Ausbildung bei Jürgen Kukowski hat er die ihm innewohnende Begabung im Wesentlichen autodidaktisch entwickelt. Diesem Zufall ist es zu verdanken, dass die in den letzten 25 Jahren entstandenen Bilder fast unverwechselbar einen eigenständigen Charakter haben. Sein mit diesem Katalog vorgestelltes Gesamtwerk ist wie ein Mosaik, welches die Entwicklung eines Künstlers geschlossen zu würdigen im Stande ist.
Mit Ausstellungen bei der Deutschen Bank Leipzig und Halle öffnete sich der Künstler einem breiten Publikum. Besonders hervorgehoben werden müssen seine Galerie-Ausstellung im jüdischen Kulturzentrum Ariowitsch-Haus zu Leipzig“ und die Verbindung von technischem Design mit seiner Farbkunst in den Verkaufshallen der Fa. Mainmetall in Halle und Leipzig. Eindrucksvoll: seine Bilder machen unsere Umgebung lebenswert.
Leipzig, den 16. Oktober 2011
Dr. Roland Boran